04/02/2025 0 Comments
Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 8
Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 8
# Jubiläum250

Katholisches Leben in Stralsund – eine Zeitschiene bis in die Gegenwart - Episode 8
Katholischer Kirchenbau - Ein Haus voll Glorie
Nicht so prächtig und majestätisch wie die Kathedralen des Mittelalters und die großen evangelischen Kirchen der Stadt, erhebt sie sich mitten in einer Häuserreihe. Nein, ganz bescheiden, ja fast unscheinbar steht sie in der Frankenstraße - die katholische Kirche „Heilige Dreifaltigkeit“. Nach der Grundsteinlegung am 10.Juni 1784 feierte die kleine Gemeinde ein Jahr später am 5.Juni 1785 mit Pater Martin Effertz den ersten Gottesdienst nach der Reformation im eigenen Gotteshaus.
Der erste Kirchenbau hatte ungefähr die Größe des jetzigen Chorraumes und war von der Frankenstraße aus zu betreten. Der Altar stand im Osten, der Eingang war bei der Sakramentskapelle. Doch wie sah sie im Innern aus? Wie war sie ausgestattet? Wendelin Zink gibt in seinen Erinnerungen darüber Auskunft. Als er sein Amt in Stralsund antrat, gab es in der Kirche einen Hochaltar und eine Kanzel.
Viele weitere Dinge und Gemälde führt Wendelin Zink dort auf. Diese kann man in der Übersetzung von Pfarrer Stefan Kotzula nachlesen.
Die Gemeinde wächst – die Kirche wird größer, hatte zunächst die kleine Kirche der Gemeinde genügt, so machte das Anwachsen der katholischen Gemeinde eine Raumvergrößerung dringend notwendig. 1872 erfolgte erfolgt eine umfangreiche Renovierung und Neugestaltung des Innenraumes. Gleichzeitig wurde das Gebäude durch Einbeziehung der Durchfahrt, die zwischen Haus Frankenstraße 37 und der Kirche auf den Pfarrhof führte, vergrößert. Im Zusammenhang mit dieser Baumaßnahme entstand an der Westseite eine kleine Marienkapelle, in der die schöne gotische Madonna einen würdigen Platz fand. Viel Raum war allerdings durch den Erweiterungsbau nicht gewonnen, und als um die Jahrhundertwende immer mehr Katholiken in die Stadt kamen, stand ein größerer Umbau auf der Tagesordnung. Der amtierende Pfarrer Matthias Wahl ließ jetzt das Gotteshaus nach Süden um das Dreifache erweitern.

Damals dachte man auch an die Errichtung eines Turmes auf dem Pfarrhof, der weit sichtbar sein sollte. Dieser Plan ist dann aber vermutlich am fehlenden Geld gescheitert. Die Bauarbeiten zur Vergrößerung der Kirche begannen am 13. Februar 1905 und schon im Selben Jahr am 7. November, erfolgte die feierliche Einweihung der im neoromanischen Stil erbauten Kirche. In der Stralsunder Zeitung vom 8. November 1905 war u.a. zu lesen:
“…. Die Einweihung der hiesigen neu erbauten katholischen Dreifaltigkeitskirche fand heute Vormittag 9 ½ h unter vollzähliger Beteiligung der hiesigen katholischen Gemeinde sowie der Geistlichkeit Vorpommerns statt. Ebenfalls waren vertreten die Spitzen der hiesigen staatlichen und städtischen Behörden „...Den Weiheakt vollzog im Auftrage des Fürstbischöflichen Delegaten Herr Erzpriester Hirschberger- Stettin. In Prozession begab sich die Gemeinde vom Pfarrhause aus."
Weiter in der Stralsunder Zeitung:
"Nach dem Hauptportal, voran der hiesige katholische Arbeiterverein mit Fahne -.… -Diesem schloss sich eine Anzahl weiß gekleideter junger Mädchen an. Nachdem dort der Psalm Miserere gebetet war, wurden die Pforten der Kirche geöffnet -.… - Es folgte der Gesang der Allerheiligen Litanei und danach das feierliche Hochamt- …. - Zelebriert vom Erzpriester Hirschberger, welcher auch die Festpredigt hielt mit Beziehung auf das Schriftwort; „Heute ist diesem Hause Heil wiederfahren“. Mit dem Lobgesang „Großer Gott wir loben dich“ und dem heiligen Segen schloss die Feier. Am Nachmittag versammelten sich die Spitzen der Gesellschaft zu einem Festdiner und mit einem Gemeindefest am Abend endete dieser so feierlich begonnene Tag.“; Zitatende.
Aber dies sollte nicht das Ende der Umbauarbeiten sein. Im Jahr 1966 ließ der damalige Pfarrer Georg Ketz die Kirche auf den Stand der vom vatikanischen Konzil beschlossenen Änderungen ausrichten und „umdrehen“. Der Eingang wurde von der Frankenstraße zum Frankenwall verlegt und der Altarraum entstand an der Nordseite. Die künstlerische Innengestaltung lag in Händen des bekannten Architekten Friedrich Press aus Dresden.
Neugestaltung unserer Pfarrkirche 1997
(Artikel Pfarrspiegel Mai 1997)
Nachdem die Bemühungen der katholischen Gemeinde um die Übernahme der Katharinenkirche, der Jakobikirche bzw. der Ruine der Johanniskirche aus verschiedenen Gründen zu keinem positiven Ergebnis führten, jedoch der Bauzustand der 1905 um das Dreifache erweiterte Kirche in der Frankenstraße einer dringenden Sanierung bedurfte, entschloss sich der Kirchenvorstand zu einer wahrhaft umwälzenden Maßnahme.
Dabei waren folgende Kriterien maßgebend:
1. Die großen, einfachen Fenster zur Frankenstaße ließen den damals beginnenden Verkehrslärm ungehindert in den Gottesdienstraum.
2. Die Gemeinde musste sich nach den Gottesdiensten auf der Straße treffen und wirkte so verkehrsbehindernd.
3. Es war das Ende des II. Vaticanums, das eine völlige Neugestaltung des Altarraums verlangte.

Also entschloss man sich zur völligen Umkehr der Kirche, Orgel und Altar sollten die Plätze wechseln, die Eingänge Richtung Frankenwall verlegt und die Wand zur Frankenstraße schallisoliert werden. Durch den damaligen Pfarrer Georg Ketz wurde für die Gestaltung des Altarraumes der über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannte Dresdener Künstler Friedrich Press gewonnen. Von ihm stammt die für die Christen der damaligen DDR hoffnungsvoll stimmende Idee, dass die Wellen des roten Meeres still stehen müssen, während als Dank für die Führung Gottes durch das „Rote Meer“ das neutestamentliche Opfer Christi auf einem Granitblock gefeiert wird. Das goldbronzene Kreuz steht dabei als Siegeszeichen neben dem Altar wie eine Lanze in die Erde gestochen. Dieses Konzept wurde auch ausgeführt. Nachdem der über 7 Tonnen schwere Granitblock aus Meißen über die Stralsunder Volkswerft mittels Spezialhebezeuge in die Kirche gehievt war, konnte das „Rote Meer“ geschlossen und mit Isoliermasse hinterschäumt werden.
Während das Kreuz in Lauchhammer gegossen wurde, waren an den sonstigen Umbauten Stralsunder Bau-Dachdecker-, Tischler- und Schlosserfirmen beteiligt. Ein wesentlicher Anteil der Bauleistungen wurde durch Mitglieder der Gemeinde erbracht, beispielsweise das Abheben des alten Fußbodens und das Abschrägen des gesamten Raumes zur neuen Altarinsel hin. Stellvertretend für die vielen aktiven Gemeindemitglieder sei hier Herr Friedrich Wagner genannt, der später für seine große Einsatzbereitschaft eine päpstliche Auszeichnung erhielt. Als neuer Ein -und Ausgang wurden die beiden Seitenfenster benutzt, die entsprechend umgebaut und durch einen Vorbau ergänzt wurden. Die neuromanischen Rundbogen in Haupt- und Nebenschiffen wurden durch glatte Holzkassettendecken ersetzt. Die oft das Kirchenschiff schwärzende Gasheizung machte einer elektrischen Sitzplatzheizung Platz. Durch die Neuordnung der Bänke um die neue Altarinsel und den Wegfall des Mittelganges wurden wesentlich mehr Sitzplätze gewonnen. Da der nicht mehr genutzte Pfarrgarten der Öffentlichkeit zugänglich und entsprechend gepflastert wurde, war auch der Raum zur Gemeindebildung nach den Gottesdiensten gegeben. Als am 17. März 1967 durch die Altarkonsekration die Gemeinde von der neugestalteten Kirche Besitz ergreifen konnte, stimmte sie ein großes „Te Deum“ an für diesen gelungenen Umbau des Kirchenraumes. Das aussagekräftige Konzept fand in kirchlichen Fachkreisen ganz Deutschlands große Beachtung. Leider wurde durch das spätere Vorhängen der Applikationsarbeit unter Pfarrer Wolfram Lewicki vor das „Rote Meer“ die ursprüngliche Idee in ihrer Wirksamkeit vermindert.
Kunst in unserer Kirche
Die Israeliten waren auf Trockenem Boden mitten durch das Meer gezogen, während rechts und links von Ihnen das Wasser wie eine Mauer stand……
Auf Grund des Glaubens zogen sie durch das Rote Meer….. Damals sang Moses mit den Israeliten: Der Herr ist König für immer und ewig… Ich bin der Weg……. Christus überbietet die alttestamentlichen Opfer durch die Darbietung seiner selbst…. Uns aber, die gerettet werden, ist das Wort vom Kreuz Gottes Kraft.

Diese alt- und neutestamentlichen Aussagen hat der Dresdner Künstler Friedrich Press (gestorben 1990) bei der Neugestaltung unseres Altarraumes in den Jahren 1966-1967 zu einem harmonischen Ganzen gefügt. In der damaligen Zeit war auch ein politischer Bezug nicht zu verkennen. (Gläubige im Meer des Sozialismus) Unsere Pfarrgemeinde kann sich in die künstlerische Darstellung einbezogen fühlen. Denn wir sind es, die den Lebensweg oftmals unter drohenden Gefahren gehen mussten, aber wissend, dass Gott in diesen Gefahren stets bei uns ist, wenn wir auf seinem Weg- Christus bleiben. Wir sind es, die Gott loben und denen durch das Kreuz Heil zuteil wird. Deshalb ist das Kreuz wie eine Siegeslanze neben dem Opferaltar, der als Meißner Granitblock das Zentrum des Altarraumes bildet, „eingestochen““. Wir feiern das Opfer des neuen Bundes und stehen in der Tradition des israelischen Volkes. Die Gestaltung dieser zentralen Aussage fand in zahlreichen Publikationen große Aufmerksamkeit und findet immer wieder bei Besuchern unserer Kirche reges Interesse. Wir können mit Recht darauf stolz sein. Die Besucher werden beim Vorschreiten zum Altar durch die kleinen Stufen (heute gelb-schwarz gekennzeichnet) unvorhergesehen etwas aus dem Gleichgewicht gebracht. Mit diesen Stufen sollte erreicht werden, das man von jedem Platz- auch sitzend- auf den Altar sehen kann. Jeder kann sich so besser mit dem, was am Altar gefeiert wird, identifizieren. Vielleicht sollten wir uns auch mal wieder aus dem Gleichgewicht bringen lassen und die künstlerische und theologische unseres Altarraumes überdenken.
Die dauerhafte Gegenwart des Herren in der konsekrierten Hostie führte in der katholischen Tradition immer mehr zur Anbetung und zu Kostbaren Aufbewahrungsorten, so z.B. die Sakramentshäuschen in gotischen Kirchen. In Anlehnung daran schuf Friedrich Press unseren Tabernakel, der zugleich als Aufbewahrungs-und Anbetungsort des gegenwärtigen Herrn dient. Sichtbar beleuchtet ist heute darin auch eine Monstranz der Stettiner Martyrerpriester aufbewahrt. Noch einmal ist Press in unserer Kirche vertreten: nämlich in dem von ihm geschaffenen sterbenden Christus. Nicht jeder findet einen Zugang zu dieser Darstellung. So mancher aber lässt sich in betender Betrachtung erschüttern von dem dargestellten Leid, das für uns erduldet wurde. Somit verhilft der Künstler Press in unserer Kirche auf vielfältige Weise zum Beten.

Dann im Jahr 1999 lässt Pfarrer Reinhold Janiszewski das Pfarrhaus Frankenstraße 39 von Grund auf sanieren. Unter Pfarrer Andreas Sommer 2018 beginnt die Planung zum Umbau des Hinterhauses, wobei der Umbau 2025 immer noch nicht abgeschlossen ist. Die Gemeinde ist in freudiger Erwartung auf Geschehendes oder enttäuschendes Nichtgeschehen. Es ist Zeit das, was passiert.
Bild: Kirche, Garten mit Pfarrhaus. Das große Bogenfester heute rechte Eingangstür der Kirche, das erste untere Bogenfenster Fenster vom Pfarrhaus heute Eingangstür zur Sakristei.
In Gedenken an Felicitas Knoppke; verstorben 2024
überarbeitet von Roland Steinfurth
Gemeinde Hl. Dreifaltigkeit Stralsund
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